Bog – Rumänien in den Reißwolf
Kaum jemand kommentierte die Pop-Musik Rumäniens bislang kunstvoller und gnadenloser als der Medien-Künstler und Bastard-Pop Musiker Bogdan Marcu in seinen aberwitzigen Soundcollagen und Mixes.
Ein Interview.
Dass
er permanent über seine eigenen Bemerkungen und Witze lacht,
lässt sich Marcu Bogdan leicht verzeihen.
Spätestens dann, wenn er ein breites, schelmisches Grinsen
aufsetzt, sich dabei an seinem Vollbart kratzt, über
den genauen Namen seines ehemaligen
Studiengangs
grübelt oder unabsichtlich völlig an einer Frage
vorbeiredet. Wir sitzen an einem Samstag Nachmittag in einem
Bukarester Cafe in einer Seitenstraße. Mein
Gegenüber
bestellt sich ein Bier und fängt schon vor dem Interview an,
ausufernd über sich, seine Musik und seine Filme zu
erzählen.
Fast so, als könne er es kaum erwarten, danach gefragt zu
werden.
Bislang ist Bogdan Marcu auch kaum gefragt worden, denn das, was er in seinen Mixen so treibt, ist wohl nicht mal für Bastard-Pop leichte Kost. So sind Bogs Stücke bislang nur auf dem rumänischen Elektronika-Netlabel Arhiva7 erschienen. Selbst in Bukarest ist er wenigen bekannt und wenn, dann scheiden sich die Geister an seinen radikal-eklektischen Mix-Kunstwerken, die sich allzu oft bis an die Grenzen des guten Geschmacks vorwagen. So etwas kommentiert Bog dann mit seinem ewig breiten, schelmischen Grinsen.
Deine Musik besteht fast nur aus Zitaten. Woher stammen sie eigentlich?
Na ja. Sachen, die ich in meiner Kindheit oder erst vor kurzem gehört habe. Sachen, die große Hits in Rumänien waren oder auch solche aus dem Ausland, die die Rumänen sehr mochten. Manche Dinge, die sehr eng mit mir und meinen Freunden verknüpft sind. Aber ich zerfetze sie immer und verändere sie. Also ist es nicht das gleiche Gefühl wie wenn du einen alten rumänischen Track anhörst, der dir ein besonderes Gefühl vermittelte.
Was denkst du – wie sollte man deine Musik hören? Soll man dazu tanzen oder genau zuhören?
Ich denke, sie ist nicht zum Tanzen gemacht. Ich tanze normalerweise auch nicht. Wenn ich in einen Club gehe und alle tanzen, bleibe ich meistens etwas abseits stehen. Und dann mag ich es, die Leute zu beobachten und einzufangen, was sie tun, was sie mögen, was sie singen oder wann sie zu welchem Stück singen. Ich beobachte. Und meine Musik ist auch fürs Schauen und Beobachten gemacht. Deshalb ist das, was ich tue auch nicht in erster Linie Musik; es kommt eher von den Bildern. So, wie ich auch aus dem Video-Bereich komme.
Und denkst du, dass die Rumänen oder zumindest die jungen unter ihnen deine Musik verstehen?
Es gibt nicht so viele, die meine Musik verstehen. Ich hab eine Menge Freunde, die meine Musik hassen. Aber ich habe auch Freunde, die meine Musik gegen diejenigen verwenden, die meine Musik hassen. Zum Beispiel auf Parties: Die Musik ist gut, man fühlt sich prächtig, man redet und vergisst die Musik und auf einmal legt jemand meine Mixes auf und man hört von allen Seiten:»Fuck! Was ist das?« Normalerweise zerstöre ich jede Party (lacht).
Bist du auch als DJ tätig?
Sehr selten. Vor kurzem hatte ich ein Set, aber es war notwendig, weil es ein Festival war und nur DJs auf der Bühne standen. Also musste ich das auch irgendwie so machen wie die. Tat ich aber nicht. Ich baute mir einen riesigen Loop aus meiner Musik und ließ sie einfach laufen. Die Leute erwarteten von mir, kunstvoll Platten aufzulegen und sie zum Tanzen zu bringen. Tat ich aber auch nicht. Nach einer Weile bin ich einfach langsam unter dem DJ Pult verschwunden, weshalb sich die Leute dann irgendwann gefragt haben wo denn der DJ sei.
Wie haben sich denn die Zuschauer in den letzten Jahren verändert?
Ich denke ich habe mich mehr verändert. Ich habe angefangen, etwas an Stärke herauszunehmen, alles ein bisschen minimaler zu gestalten und leichter zum Zuhören. Also haben nicht sie sich verändert, sondern ich mich. Weil ich gelangweilt von all dem war. Ich bin normalerweise immer gelangweilt. Also versuche ich immer, etwas Neues zu machen.
Wie ist Bukarest musikmäßig?
Oh. Es ist sehr minimal in dem Sinne, dass die Leute nur House hören. Und an zweiter Stelle Hip Hop. Und dann Breaks und Drum'n'Bass. Das sind die letzten Dinge, die sie hier ausprobiert haben. Und es ist alter Drum'n'Bass und es sind alte Breaks – sehr alt. Nein, an neuen Dingen sind die nicht sonderlich interessiert. Wenn es ihnen zu elektronisch oder zu minimal klingt, dann könnte man ein Problem bekommen. Aber wenn es House ist, wird es irgendwie akzeptiert.
Und Brasilianisches: Wenn man etwas Brasilianisches in den Rhythmen hört, dann ist das perfekt für die Rumänen. Ich denke, weil wir dieses Latin-Thing haben. Ich meine, ich habe das eigentlich nie verstanden: Vor der Revolution haben sie nur Black-Metal oder Metal gehört. Auch auf den Straßen hat man nur Metal-Jungs und -Mädchen gesehen. Auch die ersten Clubs in Rumänien waren Metal-Clubs. Aber nach der Revolution ist jeder zu einem Latino und Brasilianer geworden. Dieser Wechsel war ziemlich heftig. Ich meine alles veränderte sich heftig in diesem Land, das muss dann wohl auch für die Musik gelten.
Und in den letzten fünf Jahren? Was hat sich verändert?
Man kann einen Wechsel wirklich spüren, er ist in den letzten fünf Jahren sehr stark. Normalerweise kopieren sie alles, was aus dem Ausland kommt. Etwas eigenes? Mh, kann mich nicht erinnern (lacht). Nein, Das Label Arhiva7 ist ein gutes Beispiel. Und ich hab ein paar Freunde: Selfmademusic. Er ist sehr gut und ich mag ihn sehr. Und da gibt es auch Makunouchi Bento.
Wie würdest du Bukarest vom Klang her beschreiben?
Oh! Es ist sehr laut als Klang. Ich meine, wenn ich zu Hause in meinem Badezimmer scheißen gehe, dann kann man da so unglaublich viele Klänge hören. Weißt du, das kommt weil man in meinem Badezimmer drei Stockwerke hoch und runter hören kann. Eigentlich alles in meinem Haus. Also höre ich zum Beispiel den Fernsehr von drei Apartments gleichzeitig. Und wenn sie Kinder haben: In Rumänien hören sie ziemlich laut Musik und scheißen auf die Nachbarn. Also kann man eine Menge davon hören. Das hört sich dann irgendwie wie meine eigene Musik an, mit all diesen Schichten. Und weil alles House ist, fängt alles an einem bestimmten Punkt sogar an ein einziger Beat zu werden, weißt du? Es ist wie ein Song. Und sie sind auch sehr laut und schreien viel und sprechen laut. Und ich bleibe oft ganz lange im Badezimmer.
Beschweren sich die Nachbarn in Rumänien nicht über zu laute Musik?
Ja, das haben sie eine Weile lang gemacht aber ich hab nicht damit aufgehört und dann haben sie es gelassen. Er ist verrückt, sagen sie dann.
Ah. Aber ich meine generell: Beschweren sich die Rumänen nicht über die Lautstärke dieser Stadt?
Oh ja klar. Das tun sie. Aber es hört ihnen ja keiner zu! (lacht)
Und denkst du, dass Bukarest spezielle Klänge hat?
Ja! Sogar eine Menge. Abgesehen von den Autos ist eigentlich alles anders hier. Gut, vielleicht auch abgesehen vom Klang der Clubs, vor allem der High-Tech Clubs. Aber es gibt hier auch Clubs, wie der Fire Club oder Club A, die wirklich richtig alt sind. Und da legen sie die Musik noch auf, wie die ersten DJs in Rumänien; mit sehr einfachem Crossover oder sogar ganz ohne. Ich mag diese Orte, sie sind sehr einzigartig. Etwas, das man sonst nirgendwo findet.
Alle Menschen, mit denen ich bisher gesprochen habe, haben sich sehr oft über Bukarest beklagt. Wieso?
Es ist wie überall in Rumänien: Sie versuchen es so wie im Ausland zu machen. Aber man kann sehen, dass es im Ausland besser geht. Und hier sind das halt Beginner, also beschwert sich jeder darüber, dass sie es hier nicht so gemacht haben, wie im Ausland. Aber auf der anderen Seite mag ich diese archaischen Zeiten hier auch irgendwie. Ich meine, sie sind bei weitem nicht mehr so archaisch wie in den 90ern. Aber dennoch mag ich sie.
Vermisst du diese Zeit?
Mh. Ich vermisse sie nicht, aber ich sehe, dass sie oft gedankenlos vermüllt wird. Sie werfen sie weg. Zum Beispiel die Bands, die vor den 90ern Musik gemacht haben: Jetzt hört ihnen niemand mehr zu und wenn sie laufen würden, dann würden sie alle nervös machen. Also zum Beispiel wenn das jetzt hier im Radio laufen würde: Alle würden anfangen zu schimpfen (lacht). Sie hassen all diese alten Lieder. Und ich mache das auch, aber wenn man alle Menschen dabei beobachtet, fängt man natürlich an, das zu hinterfragen und zu reflektieren. Und nach einer Weile findet man auch irgendwie ein bisschen Schönheit in diesem alten Kram. Und das hab ich manchmal mit meinen Mixen gemacht. Ich ließ ihre Romantik manchmal für sich stehen, um sie dann wieder durch den Reißwolf zu jagen. Ich mache das nicht, weil ich so über diese Musik denke oder fühle, sondern weil jeder so fühlt, mich eingeschlossen.
Wie sind deine Pläne für die Zukunft?
Ich denke ich kann nicht aufhören. Wenn ich ein bisschen Zeit übrig habe, öffne ich mein Programm und mache ein paar Mixes. Oder ich höre einen alten Song, notiere ihn mir, gehe nach Hause und mische es mit irgendetwas Anderem. Ich mache das alles nicht mehr so oft wie früher, aber aufhören kann ich nicht.