Das Leben nach dem Abend
Stadtgespräch:
Nightlife Bukarest
Vor gerade mal drei Jahren, als Live-Acts wie Thomas Brinkmann oder Christian Fennesz in Bukarest noch enormen Seltenheitswert hatten, beschlossen Cosmin Tapu und Mihaela Vasile nach einem Studienaufenthalt im Party-Mekka Belgrad, ihre rumänische Heimatstadt mit den fehlenden Raritäten zu versorgen. Eifrig stellten sie das Rokolectiv Festival auf die Beine, um auch Bukarest jedes Jahr im Frühling für drei Tage in ein Mekka der elektronischen Live-Musik zu verwandeln. Heute, nach der zweiten Edition plaudern sie über die Gepflogenheiten und Eigenwilligkeiten dieser Szene – natürlich nicht ohne manchmal demonstrativ die Nase zu rümpfen.
Wo findet das Leben der Electronic-Szene hier in Bukarest statt?
Cosmin: Es sind mehrere Electronic-Szenen würde ich sagen, weil esauch diese Mainstream Techno-House Szene gibt, die in Rumänien sehr entwickelt ist. Sie ist manchmal sogar verbreiteter als Pop. Wenn man hier zum Beispiel in einen Supermarkt geht, hört man meistens boomenden Techno.
Mihaela: Dann gibt es noch die großen Clubs wie Krystal. Die sind für hunderttausende von Menschen, mit einer Menge Laser und halbnackten Tänzerinnen auf Boxen. Und manchmal gibt es »Unfälle« und sie bringen gute Namen aus dem Techno oder House Bereich, aber normalerweise geht es ihnen nur um die richtig großen Namen.
Und wie ist die Entwicklung der elektronischen Musik nach der Wende?
Cosmin: Nach 1989 weiß ich das nicht sicher, weil ich damals klein war. Ich war sowieso mehr in der Punk Szene. Ich komme aus Craiova und damals gab es dort diese Post-Punk Bands Anfang der neunziger Jahre. Mit der elektronischen Szene haben wir nie etwas zu tun gehabt. Die hat sich in den letzten vier oder fünf Jahren entwickelt, vor allem Techno und House. Zum Beispiel gibt es da diesen Ferienort Mamaia, wo auch das Local Beats Festival stattfindet, das eigentlich gar nicht mehr local ist, weil dort nur große Namen spielen. Ich mag es nicht. Aber die Leute mögen es und seit zwei oder drei Jahren gibt es auch mehr Events in der alternativen elektronischen Musik.
Mihaela: Aber unglücklicherweise ist die Entwicklung ziemlich langsam und das meiste, was wir sagen, bezieht sich eher auf DJs. Bezogen auf Live-Acts geht hier nicht so viel. Die meisten stecken in diesem IDM-Ding, die stehen dann hinter ihrem Laptop, tun alle ziemlich schlau, klingen aber auch alle ziemlich ähnlich. Wir haben ein paar richtig junge, die etwas anderes machen. So wie dieser Typ namens Minus, mit dem wir auch touren. Und der Rest: Es gibt ein paar in Bukarest, In Timisoara und in Cluj, aber nicht sehr abenteuerlich, würde ich sagen.
Findet ihr, dass Rumänien eine besondere musikalische Quelle hat?
Cosmin: Ich denke nicht, dass irgendjemand in Rumänien etwas neues erfunden hat. Aber es gibt auch nur wenige Länder, die wirklich neue Stile erfunden haben. Eine Besonderheit ist vielleicht, dass die Minimal-Techno Szene wirklich ziemlich jung ist. Die Leute sind so von 15 bis 25 Jahre alt, was wirklich seltsam ist, denn zum Beispiel in Berlin oder in anderen Städten sind sie älter als 27. Hier kann man die ganzen Kids sehen, wie sie heftig zu Richie Hawtin tanzen. Und es gibt eine große Diskrepanz zwischen den sozialen Codes der einzelnen elektronischen Stile. Hier ist das wirklich besonders stark, sie vermischen sich fast gar nicht.
Mihaela: Nur wegen Vorurteilen! Man hat all diese urbanen, alternativen Leute, die ins Museum für Zeitgenössische Kunst gehen und die niemals in den Krystal Glam Club gehen würden, sogar wenn ein guter Künstler kommt. Nur weil sie sich nicht mit den Pokemons, wie wir diese japanisch Aussehenden Leute nennen, mischen wollen. und die Leute, die zu diesen Venues gehen, folgen nur den Venues und nicht dem Line-up.
Und wie lassen sich eure Besucher beschreiben?
Cosmin: Ich denke das ist unterschiedlich. Es gibt ein paar, die sehr neugierig sind und einfach kommen, obwohl sie noch nie etwas davon gehört haben, nur weil sie uns kennen. So wie Fans. Und dann gibt es noch die anderen, die einfach so kommen. Generell wollen sie große Namen, aber nicht die von heute, sondern von vor zehn Jahren. Da gibt es auch noch ein anderes Festival im Donaudelta, mit einem Line-up, das für uns grandios gewesen wäre, hätte es das vor zehn Jahren gegeben.
Mihaela: Es ist das, wovon die Leute, die jetzt um die 30 sind immer geträumt haben. Sie waren immer verzweifelt danach, Unkle und DJ Food zu sehen. Ich weiß, deren Zeit ist noch nicht um und sie geben noch Konzerte. Ich meine Unkle tourten mit U2! Das ist nicht mehr frisch.
Ich habe
gelesen, ihr wolltet Bands
aus Rumänien entdecken. Hattet ihr Erfolg?
Cosmin: Nein, hatten wir nicht. Unsere einzige Entdeckung war dieser 22-jährige Typ namens Minus, den wir vor zwei Jahren in irgendeinem komischen Club gesehen haben. Wir fragten ihn ob er mit uns arbeiten will. Und wir haben ihn mit diesem Visual-Menschen Vali Chinşişan zusammengeführt – Vali ist wirklich sehr gut, auch verglichen zu internationalen VJs. Jetzt touren wir mit ihnen und es scheint gut zu laufen.
Mihaela: Aber bezogen auf den Rest und die Bands: Es gibt jetzt wohl einige, die, wie ich gehört habe, wohl einen frischeren Sound haben. Eine Band heißt The Amsterdams und die andere The Pixels. Aber wir stecken da nicht so drinnen und würden sie auch nie für unser Festival buchen.
Cosmin: Und wir haben noch andere rumänische VJs, die ganz gut sind. Auch sonst gibt es noch gute Leute, aber meistens sind das DJs. Also nicht so sehr diese Live-Sache. Deshalb konnten wir dieses Jahr auch nichts auswählen.
Mihaela: Aber sie wiederholen sich auch und machen nichts neues, also weiß ich nicht weshalb ich, nur um rumänische Künstler zu promoten, die gleichen Sachen immer und immer wieder bringen sollte.
Also man könnte aber sagen, eine Sache, die ihr wirklich erreicht habt, ist es, gute Live-Acts nach Rumänien zu bringen?
Cosmin: Ja. (lacht) Das ist wahr.
Und nach was lechzt ihr als Veranstalter?
Cosmin: Bessere Räumlichkeiten mit einem eigenen Soundsystem, für das wir nicht zahlen müssen.
Mihaela: Und mehr von diesen kleineren Acts hierher zu holen. Mit einer regulären Frequenz.
Cosmin: Ein Plan ist ja auch, eine Art Kulturzentrum aufzubauen, dass auch Ausstellungen Neue Medien und all das fokussiert. Das Problem ist nur, dass wir uns die Mieten nicht leisten können, denn derzeit steigen die Preise in Bukarest enorm. Zur Zeit fragen wir deshalb all unsere Freunde: Kennst du vielleicht einen reichen Typen mit einem Haus?