H.arta
Von der Kunst, Ideenräume zu schaffen
Der
Piaţa Romană ist einer
der zentralsten Plätze Bukarests. Verlässt man hier
die
U-Bahn, um vor den Menschenmengen und der Hitze im Schacht zu
fliehen, gelangt man in das pralle Leben der Stadt. Aus
Bekleidungsläden dröhnen Technobeats, an einer
Hauswand
klebt ein überdimensionales Colaglas. Im Laden darunter werden
Ikonen der heiligen Jungfrau und glitzernder Haarschmuck verkauft.
Fernab des Treibens, in einer ruhigen Seitengasse am Piaţa Romană hat das Künstlerkollektiv H.arta im Rahmen des Projekts „Spaţiul Public“ – Public Art Bucharest – einen Project Space eingerichtet. Public Art Bucharest, vom Goethe-Institut organisiert und von Marius Babias und Sabine Hentzsch kuratiert, ist der Versuch, Kunst und Diskurs im öffentlichen Raum in Bukarest zu lancieren – Pilotprojekt und Pionierarbeit zugleich.
Mit dem Project Space, in dem für einen Monat täglich Workshops, Vorträge und Diskussionen stattfinden, leistet das Kollektiv H.arta seinen künstlerischen Beitrag. Maria Christa, Anca Gyemant und Rodica Tache schaffen etwas abseits des tösend hereingebrochenen Kapitalismus eine Plattform zur Präsentation und zum Tausch von Informationen wie alternativen Ideen.
Einen ähnlichen Raum schufen die drei jungen Frauen bereits 2001 in Timişoara, der Stadt, in der sie gemeinsam Kunst studierten. »Nachdem wir das Studium, das in einem gewissen Sinne wirklich nutzlos war, abgeschlossen hatten, entschieden wir uns tatsächlich dafür, Künstler zu sein. - Ohne zu wissen, was es bedeuten könnte. Aus diesem Grund riefen wir den H.arta Space ins Leben. Für uns war es eine Möglichkeit zu definieren, was Kunst ist und welche Verbindungen zwischen Kunst als Theorie und dem wirklichen Leben bestehen.«
Die
veralteten Lehrmethoden und -inhalte im Bildungswesen bis hinein in
die Universitäten, sowie das
Fehlen einer Plattform für zeitgenössische Kunst,
Reflexion
und Kommunikation waren für das junge Kollektiv Antrieb, den
H.arta Space immer wieder aufs Neue zu füllen.
Gemeinsam mit
geladenen Gästen aus Kunst und Gesellschaft, entwickelten sie
mehr und mehr ihr heutiges Selbstverständnis als
Künstler.
»Nicht Kunst ist wichtig, sondern was man mit Kunst tun kann.
Oder dass die Kunst ein Rahmen für andere wichtige Dinge sein
kann.« Post-Kommunismus, Bildung, der öffentliche
Raum und
Feminismus sind eben diese »wichtigen Dinge« an
denen
sich das Programm des Project Space orientiert –
Themenfelder, die
manch einem nicht zeitgemäß und abgegriffen
vorkommen
mögen. »Man kann sagen es sei altmodisch, politische
Kunst
zu machen, weil sie in Europa schon vor vielen Jahren präsent
war. Oder man kann feststellen, dass es immer noch an der Zeit ist in
der Kunst politisch zu sein. Als wir begannen, uns mit dem Feminismus
auseinander zu setzten, hörten wir viele Stimmen
sagen:›Oh,
feministische Diskurse – das ist altmodisch!‹ Hier
in Rumänien
aber gab es keinen starken Feminismus. Für uns und unsere
Gesellschaft ist es wichtig, diesen Diskurs zu
führen.«
H.arta hat Gäste aus dem Ausland, vor allem aber aus der jungen Demokratie Rumäniens in den Project Space eingeladen um die Diskurse zu eröffnen. Unter ihnen Vertreterinnen von Indymedia Romania, die sich und ihre Arbeit an einem der 31 Abende vorstellen. Sie versuchen, eine Alternative zu den etablierten kommerziellen Medien und ihrer wirklichkeits-konstituierenden Macht im Land zu schaffen. An einem anderen Abend stellt sich im Project Space eine junge Künstlergruppe aus Bukarest vor. Sie intervenieren im sozialen Brennpunkt Rahova und treiben gemeinsam mit den Bewohnern das sozial motivierte Projekt »Build your Community« voran. Zwei Gäste unter vielen, die in der jungen und noch etwas ungelenken Demokratie Rumäniens agile Alternativen aufzeigen. »Die im Project Space stattfindenden Veranstaltungen bringen Menschen, Gesinnungen und Taten ans Licht, die festgefahrene Begebenheiten überwinden. Menschen, die Verantwortung übernehmen und feststellen, dass es an ihnen ist, etwas zu verändern; verschiedene Initiativen, deren Gemeinsamkeiten der Kampf gegen Autoritäten, die Bereitschaft, Risiken auf sich zu nehmen und der Versuch, Begebenheiten zum »Anders-Denken« zu schaffen sind.«
Es scheint ein pathetisches Postulat; und doch ist es ein Vorhaben, das es in der jungen Demokratie Rumäniens und im von Werbeträgern eroberten öffentlichen Raum der neuen europäischen Metropole Bukarest braucht. Die rege Plattform, die H.arta für einen Monat geschaffen hat, sowie die geführten Diskurse sind Voraussetzung für eine funktionierende, gelebte Demokratie – dies nicht nur in Rumänien.
Links:
http://www.spatiul-public.ro
http://hartagroup.blogspot.com