Unschärfen der Vorstädte
Nicu
Ilfoveanu fotografiert mit einer
einfachen, alten Boxkamera Fußballfelder, Wohnblocks und
suburbane
Stadtlandschaften in der Metropole Bukarest. Nostalgische Blicke,
oszillierend zwischen idyllischer Kindheitserinnerung und
bedrückender,
apokalyptischer Stille.
Eine braune,
plane Fläche, an ihrem Ende leuchtend weiß ein
Rechteck: Ein Fußballfeld mit einem Tor ohne Netz. Auf dem
erdigen Boden sind Spuren zurück geblieben. Ein Holzzaun
trennt das scheinbar noch vor kurzem im eifernden Spiel bewegte Feld
von starren Blocks. Grau und gleich versperren sie den Blick in die
Ferne »Ich erinnere mich, eine große Freude
verspürt zu haben wenn ich Fußball spielte. Ich
hatte viele Gypsies als Freunde und wir spielten oft.« sagt
Nicu Ilfoveanu, der in einem der vielen unter kommunistischer
Herrschaft errichteten Plattenbauten aufwuchs. »Ich wohnte in
einem Wohnblock. Viele Dinge geschahen dort: Ich erinnere mich, dass
vor meinem Fenster ein Viertel voll mit kleinen Häusern stand.
Man riss alle Häuser nieder und errichtete einige andere
Blocks.«
Nicu Ilfoveanu war 14, als sich das rumänische Volk auflehnte
und den »Führer« Ceauşescu, der den
Großteil der ursprünglichen Bausubstanz Bukarests
zerstörte und wie kaum ein anderer Staatsherr des
Ostblocks Terror walten ließ, stürzte.
Für Nicu Ilfoveanu sind die Jahre des Kommunismus
Kindheitserinnerungen, die Blocks der Stadt nicht vorrangig Zeugnis
eines tyrannischen Herrschers, sondern ein Raum, den er spielend
eroberte. Heute, mit 32 Jahren, wendet er den Blick zurück. Es
ist ein nostalgischer Blick und Fotografien, die ruhig und
verträumt neo-romantische, fast zu schöne Bilder von
eigentlich doch grauen und harten Stadtansichten zeichnen. Die Serie
»Steampunk«, die mehr als ein Dutzend Bilder dieser
Art zusammenfasst und in einem gleichnamigen Buch
veröffentlicht wurde, fand ihren Anfang mit einer
über 50 Jahre alten Kasten-Kamera. »Ich bekam die
Kamera von einer alten Dame. Da ich kein Fan alter Kameras bin, nahm
ich sie als schönes Ding. Aber ich war neugierig und versuchte
herauszufinden was in der Kamera ist. Es war ein sehr alter Film, mit
einer hölzernen Spule. Ich steckte ihn schnell zurück
und entwickelte ihn. Zwei Bilder erschienen auf dem Film. Seitdem
fotografierte ich mit dieser Kamera. Mit dem starken Eindruck, dass
zwei Bilder 50 Jahre lang unentdeckt existierten. Und
natürlich, wenn man zwei wirklich alte, von anonymen Leuten
gemachte Bilder entdeckt, lassen sie einen Dinge erinnern, alte Dinge.
Und was sind alte Dinge für Jugendliche? Die
Kindheit.»
Geworben wurde
für jene Kasten-Kameras als »geeignete Apparate
für Kinder, die ohne Überlegung bei gutem Wetter
brauchbarem Fotos erlangen wollen«. Mit dieser
einfachen, über die Jahre etwas unzuverlässig
gewordenen Kamera und abgelaufenen Filmen, begab sich Nicu Ilfoveanu
auf die Suche nach Motiven. »Alles was man tun kann, ist die
Kamera zu nehmen, etwas zu sehen und den Auslöser zu
drücken. Das Bild kann auf dem Film erscheinen oder ein
absoluter Fehler sein. Aber das ist gut. Weil, wenn es kein Fehler ist
und etwas auf dem Film erscheint, ist es eine große
Überraschung. Ich mag es, von der Kamera überrascht
zu werden.«
Der Materialbezug und das aufgeregte Entdecken des Mediums scheinen
zunächst lediglich Rückblick in die Moderne zu sein,
sein bei Zeiten beinah piktoralistisch anmutender Stil
überkommen. Die oft leicht unscharfen Stadtlandschaften drohen
ins Triviale einer goldenen Kindheitserinnerung zu kippen. Aber Nicu
Ilfoveanus Fotografien halten die Spannung, transportieren in ihrer
Ruhe und Schönheit etwas Beklemmendes, das in manch einer
Fotografie beinah apokalyptische Züge trägt. Zum
Beispiel dann wenn so viel Licht durch die Kamera bricht, dass Teile
eines Wohnblocks völlig überblendet sind.
Nicu Ilfoveanu ist nicht offensiv auf der Suche nach den
Überresten der hart in die Stadt eingeschriebenen
kommunistischen Vergangenheit. Und doch erzählen seine
Fotografien sehr leise sehr viel.
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